Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten

Artikel aus dem JCVP-Magazin Jmpuls von Elias Meier zur Abstimmung über die steuerliche Berücksichtigungen der Kinderdrittbetreuungskosten:

Voraussichtlich im Herbst – so Corona will – werden wir über das Referendum zu Änderungen am Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) hinsichtlich der steuerlichen Berücksichtigungen der Kinderdrittbetreuungskosten abstimmen können. Die Vorlage hat ihren Ursprung in der Fachkräfteinitiative (FKI) aus dem Jahr 2011. Im Parlament hatte die CVP den Lead, unter anderem wegen eines Einzelantrags von CVP Nationalrat Philipp Kutter. Das Referendum wurde von der Sozialdemokratische Partei (SP) ergriffen.

 

Die ursprüngliche Intention

Ziel der Fachkräfteinitiative (FKI) war es, negative Erwerbsanreize für gut qualifizierte und damit meist auch gutverdienende Fachkräfte zu beseitigen. Dies sollte vor allem gut ausgebildete Mütter zurück ins Erwerbsleben holen. Die Erhöhung des Bundessteuerabzugs für die externe Betreuung von Kindern von 10’100 Franken auf 25’000 Franken war im Parlament unumstritten und hätte zu Steuerausfällen von lediglich 10 Millionen Franken geführt.

 

Der Einzelantrag Kutter

In der parlamentarischen Beratung kam jedoch der Einzelantrag von CVP-Nationalrat Philipp Kutter hinzu. Er wollte den allgemeinen Kinderabzug bei der direkten Bundessteuer (DBST) von 6500 Franken auf 10’000 Franken erhöhen. Diesen Abzug können alle Familien geltend machen, unabhängig davon, wie die Kinderbetreuung geregelt wird. Aus der Bekämpfung des Fachkräftemangels wurde eine steuerliche Entlastung aller Familien. Die Steuerausfälle stiegen damit von 10 Millionen Franken auf 350 Millionen Franken. Die Gesamtvorlage war im Parlament plötzlich umstritten und musste in die Entscheidungskonferenz. Dort wurde sie beispielsweise im Ständerat mit nur zwei Stimmen unterschied angenommen und die Sozialdemokratische Partei (SP) ergriff das Referendum.

 

Wer profitiert?

Von «finanzielle Entlastung der Familien» bis zu «Wer viel hat, dem wird viel gegeben», hört man inzwischen allerlei über diese Referendumsabstimmung. Doch wer profitiert wie stark von den neuen Abzügen?

  • Da die Abzüge bei der direkten Bundessteuer (DBST) geltend gemacht werden können, profitiert nur, wer auch DBST zahlt.
  • Verschiedene Rechenbeispiele zeigen, dass Familien meist ab einem kumulierten Jahreseinkommen von etwa 110’000 Franken von den Abzügen profitieren, weil sie mit kleineren Einkommen keine direkte Bundessteuer bezahlen.
  • Die finanzielle Entlastung pro Jahr liegt bei einem kumulierten Jahreseinkommen von 110’000 Franken bis 170’000 Franken in der Regel bei rund 200 bis 500 Franken pro Jahr. Die maximale finanzielle Entlastung von 910 Franken pro Jahr erhält man in der Regel erst bei einem kumulierten Jahreseinkommen von 200’000 Franken oder mehr.
  • Aufgrund der Berechnungen zeigt sich, dass Alleinstehende mit Kindern am meisten von den höheren Abzügen profitieren, gefolgt von Ehepaaren mit Kindern. Konkubinatspaare mit Kindern profitieren massiv weniger.

 

Meine Meinung

«Wer Kinder grosszieht, erbringt für die Gesellschaft eine besondere Leistung.» schreibt die CVP auf ihrer Homepage. Das unterstütze ich zu 100%. Diese besondere Leistung, welche Eltern für die Gesellschaft erbringen ist mit immer höherem Effort und steigenden Kosten verbunden. Eine Entlastung der Familien ist deshalb auf jeden Fall erstrebenswert! Doch bei der Frage nach dem wie scheiden sich offenbar die Geister. Ich bin der Meinung, dass eine gezielte Entlastung, da wo der Schuh am meisten drückt wie beispielsweise bei den Krankenkassenprämien oder der familienergänzenden Kinderbetreuung am effektivsten ist.

Der ursprünglichen Intention der Fachkräfteinitiative (FKI) nach finanzieller Entlastung bei der familienergänzenden Kinderbetreuung wäre ohne Einzelantrag Kutter einwandfrei genüge getan worden. Es wäre ein effizientes Instrument gewesen, um finanzielle Fehlanreize im Steuersystem der direkten Bundessteuer zu beseitigen und gut ausgebildete Fachkräfte wieder der Wirtschaft zuzuführen. Dazu hätte ich vorbehaltlos Ja sagen können.

Mit dem Einzelantrag Kutter wurden die Kosten für die Vorlage von 10 Millionen auf 350 Millionen Franken aufgeblasen. Entlastet werden nun nicht nur arbeitende Fachkräfte, sondern alle gutverdienenden Familien. Es gibt gleich mehrere Punkte, welche mich dabei stören:

  • Der Einzelantrag Kutter entspricht teilweise einer Forderung der SVP-Familieninitiative nach einem «Steuerabzug für die Eigenbetreuung», welche im Jahr 2013 vom Volk abgelehnt wurde.
  • Aufgrund des gewählten Instruments der Einzelinitiative wurden die Kantone zu den drohenden Steuerausfällen nicht einmal angehört.
  • Die Schweiz hat rund 1 Million Haushalte. Von den 350 Millionen Franken gehen deren 315 Millionen Franken an die einkommensmässig oberen 33% der Haushalte – nur rund 35 Millionen Franken gehen an die einkommensmässig unteren 66% der Haushalte.
  • Die hohen Löhne stiegen in den letzten Jahren prozentual mehr als die tiefen Löhne. Es sollen also diejenigen entlastet werden, welche auch Lohnmässig besser wegkamen in den letzten Jahren.
Fazit

Diese Überlegungen lassen mich ernsthaft am gesamtgesellschaftlichen Nutzen dieser Vorlage zweifeln. Ist ein solches Steuergeschenk an Familien mit solch hohen einkommen gerechtfertigt? Ich denke nicht. Gäbe es nicht effektivere Instrumente um Familien eine wohlverdiente und dringend notwendige finanzielle Entlastung zu gewähren? Ich denke schon. Deshalb werde ich wohl – trotz der CVP Parole – bei der Referendumsabstimmung ein Nein zur Vorlage der «Steuerlichen Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten» in die Urne werfen.

Weitere Blogbeiträge zum Thema Familie

Keine Anerkennung von Kinderehen

Obwohl man in der Schweiz erst mit 18 Jahren heiraten kann, werden im Ausland geschlossene Kinderehen momentan in der Schweiz anerkannt.

Von Elias Meier für das JCVP-Magazin Jmpuls

Gemäss Unicef, Fachstelle Zwangsheirat, Kinderschutz Schweiz sowie weiterer Kinderrechtsorganisationen besteht dringender gesetzlicher Handlungsbedarf hinsichtlich des Schutzes von Kinder vor Kinderehen. Die Junge CVP Schweiz setzt sich aktiv gegen Kinderehen in der Schweiz ein und wurde deshalb bei den Mitgliedern der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats (RK-NR) vorstellig. Diese stimmte Mitte Februar einstimmig der Parlamentarischen Initiative 18.467 von Natalie Rickli (Alt-NR SVP) zu, welche die Anerkennung von Kinderehen grundsätzlich verunmöglicht.

Gesetzliche Ausgangslage
Was Deutschland bereits seit 2017 kennt und Schweden per 1. Januar 2019 eingeführt hat, wird von Kinderrechtsorganisationen in der Schweiz noch immer bemängelt: Fehlender Schutz für Kinder vor Kinderehen.

Seit 2017 gelten in Deutschland alle Ehen welche von Personen geschlossen wurden, die noch keine 16 Jahre alt sind gemäss Gesetz als nichtig und werden nicht anerkannt. Ist ein Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschliessung zwischen 16 und 18 Jahre alt, wird die Ehe durch ein Gericht aufgehoben. In Schweden werden seit 2019 im Ausland geschlossene Ehen nicht mehr anerkannt, wenn einer der Eheleute bei der Eheschliessung noch nicht volljährig war. «Eine Kinderehe bleibe eine Kinderehe, auch wenn die Partner inzwischen erwachsen seien.» äusserte sich die Schwedische Regierung während der Diskussion um die Gesetzesänderung im Sommer 2018.

Auch in der Schweiz kann man (gemäss Artikel 94 ZGB) nur heiraten, wenn man das 18. Altersjahr erreicht hat und urteilsfähig ist. Ist einer der Ehegatten minderjährig, liegt gemäss Artikel 105 Ziffer 6 ZGB ein unbefristeter Ungültigkeitsgrund vor. Schön und gut, wenn nach diesem Passus im Gesetz ein Punkt und kein Komma käme. Denn im vollen Wortlaut lautet der Gesetzesabschnitt «Ein Ungültigkeitsgrund liegt vor, wenn […] einer der Ehegatten minderjährig ist, es sei denn, die Weiterführung der Ehe entspricht den überwiegenden Interessen dieses Ehegatten.» Diese Ausnahme im Gesetz führt dazu, dass im Ausland geschlossene Minderjährigen-Ehen nur auf Klage hin durch einen Gerichtsentscheid für ungültig erklärt werden kann. Was in der Theorie nicht so tragisch klingt, stellt sich in der Praxis als massiver Stolperstein heraus, welche den Schutz von Minderjährigen vor Kinderehen und Zwangsheirat bis zur Nutzlosigkeit untergräbt.

Realität
Die Realität ist:
– Die Fachstelle Zwangsheirat, das Kompetenzzentrum des Bundes in dieser Frage, stellte in den vergangenen Jahren eine Zunahme von Kinderehen und Zwangsheiraten fest.
– Kinderehen werden automatisch anerkannt, sobald die Eheleute volljährig sind. Massgebend ist nicht das Alter bei Eheschluss, sondern das Datum der Beurteilung.
– Im Ausland geschlossene Kinderehen kommen selten vor Gericht, weil niemand Klage erhebt. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von Unkenntnis bzgl. dem Schweizer Gesetz bis hin zu kulturellen, religiösen oder gesellschaftlichen Zwängen.
– Kommt es zu einer Klage dauert die Behandlung der Fälle durch das zuständige Gericht nicht selten so lange, dass die betroffenen zwischenzeitlich das 18. Lebensjahr erreichen und kein Ungültigkeitsgrund gemäss Art. 105 Ziffer 6 ZGB mehr vorliegt. Die betroffenen Personen bleiben in der Ehe “gefangen”.

Menschenrechte
Gemäss Unicef werden weltweit jedes Jahr geschätzte 15 Millionen Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Manche von ihnen sind noch keine 10 Jahre alt, und ihren Ehegatten kennen sie oftmals nicht vor der Heirat. Sie werden ihrer Kindheit beraubt – anstatt zur Schule zu gehen müssen sie einen Haushalt führen, kochen und ihrem Mann zu Diensten sein. Oftmals geht mit der Ehe auch häusliche oder sexuelle Gewalt einher. Die Träume der betroffenen Kinder werden zerstört. Kinderehen verstossen gegen die Menschenrechte.

Parlamentarische Initiative von Natalie Rickli
Am Donnerstag, 20. Februar 2020 kam die Parlamentarischen Initiative 18.467 von Natalie Rickli (Alt-NR SVP) in die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats (RK-NR). Es ist eine Neuauflage der Motion 16.3916 von Natalie Rickli, welche 2019 abgeschrieben wurde, weil sie länger als zwei Jahre hängig war.

Die Parlamentarischen Initiative 18.467 fordert die Streichung des Satzteils «es sei denn, die Weiterführung der Ehe entspricht den überwiegenden Interessen dieses Ehegatten.» im Art. 105 Ziffer 6 ZGB. Die Anerkennung von Kinderehen wird damit verunmöglicht.

Die JCVP Schweiz engagiert sich aktiv gegen Kinderehen. Vorgängig zur Beratung der Parlamentarischen Initiative nutzten wir unsere Reichweite u.a. auf Social Media um auf das Thema Kinderehen aufmerksam zu machen.  usserdem suchten wir den Kontakt zu den Mitgliedern der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats um ihnen unsere Haltung und Bedenken hinsichtlich der aktuellen Gesetzeslage aufzuzeigen.

Die RK-NR hat der Parlamentarischen Initiative 18.467 einstimmig folge gegeben. Als nächstes wird die Parlamentarische Initiative von der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats (RK-SR) behandelt. Die JCVP Schweiz und ich bleiben dran!

Leserbrief: Kinderkrippen: Arbeitgeber sollen ebenfalls Beiträge zahlen

«Arbeitgeber fordern Kita-Offensive», Ausgabe vom 9. Oktober

Der Schweizerische Arbeitgeberverband hat durchaus recht: Es handelt sich beim Ausbau von Kinderkrippen und Tagesschulen um eine Infrastrukturleistung, für welche der Bund finanziell zuständig ist. Ende Januar 2019 läuft die zweite Verlängerung des Impulsprogramms des Bundes für den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen (Anschubfinanzierung) aus. Diese nicht noch einmal zu verlängern, wäre fahrlässig, da sowohl der Bedarf nach neuen Plätzen als auch Gesuche um Anschubfinanzierung für neue Angebote noch immer zunehmen.

Stehen erst einmal genügend Plätze zur Verfügung, dreht sich die Finanzierungsfrage noch um die Subventionierung der familienergänzenden Kinderbetreuung. Dabei sollte die Subjektfinanzierung zum Tragen kommen, bei welcher Eltern die Gesamtkosten tragen, jedoch abhängig von Einkommen sowie Pensum der Erwerbstätigkeit oder Aus- und Weiterbildung unterschiedlich hoch subventioniert werden. Dies führt dazu, dass sich die Angebote mehr den Bedürfnissen der Familien angleichen und die Qualität der Angebote nicht einem Preiskampf zum Opfer fällt.

Zu den Subventionen sollten nebst Kanton und Gemeinde unbedingt auch die Arbeitgeber einen Beitrag leisten – auch wenn der Arbeitgeberverband dies nicht so sieht. Immerhin sind die Arbeitgeber Profiteure der dadurch zusätzlich zur Verfügung stehenden Fachkräfte. In einigen Teilen der Westschweiz (zum Beispiel im Waadtländer Modell) ist diese finanzielle Beteiligung der Arbeitgeber bereits Realität, indem jeder Arbeitgeber einen gewissen Teil der Lohnsumme als Arbeitgeberbeitrag einschiesst. In der Deutschschweiz ist der Elternbeitrag mitunter deshalb mit durchschnittlich zwei Dritteln der Vollkosten denn auch deutlich höher als in der Westschweiz mit einem Drittel der Vollkosten. Viele Arbeitgeber im Kanton Luzern beteiligen sich bereits jetzt auf freiwilliger Basis an der familienergänzenden Kinderbetreuung. Anders als der Arbeitgeberverband scheinen sie gewillt, dem Fachkräftemangel durch die Mitfinanzierung von familienergänzender Kinderbetreuung entgegenzuwirken.

Elias Meier, Vorstandsmitglied JCVP Kanton Luzern, Oberkirch

Luzernerzeitung, 11. Oktober 2017