Obwohl man in der Schweiz erst mit 18 Jahren heiraten kann, werden im Ausland geschlossene Kinderehen momentan in der Schweiz anerkannt.
Von Elias Meier für das JCVP-Magazin Jmpuls
Gemäss Unicef, Fachstelle Zwangsheirat, Kinderschutz Schweiz sowie weiterer Kinderrechtsorganisationen besteht dringender gesetzlicher Handlungsbedarf hinsichtlich des Schutzes von Kinder vor Kinderehen. Die Junge CVP Schweiz setzt sich aktiv gegen Kinderehen in der Schweiz ein und wurde deshalb bei den Mitgliedern der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats (RK-NR) vorstellig. Diese stimmte Mitte Februar einstimmig der Parlamentarischen Initiative 18.467 von Natalie Rickli (Alt-NR SVP) zu, welche die Anerkennung von Kinderehen grundsätzlich verunmöglicht.
Gesetzliche Ausgangslage
Was Deutschland bereits seit 2017 kennt und Schweden per 1. Januar 2019 eingeführt hat, wird von Kinderrechtsorganisationen in der Schweiz noch immer bemängelt: Fehlender Schutz für Kinder vor Kinderehen.
Seit 2017 gelten in Deutschland alle Ehen welche von Personen geschlossen wurden, die noch keine 16 Jahre alt sind gemäss Gesetz als nichtig und werden nicht anerkannt. Ist ein Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschliessung zwischen 16 und 18 Jahre alt, wird die Ehe durch ein Gericht aufgehoben. In Schweden werden seit 2019 im Ausland geschlossene Ehen nicht mehr anerkannt, wenn einer der Eheleute bei der Eheschliessung noch nicht volljährig war. «Eine Kinderehe bleibe eine Kinderehe, auch wenn die Partner inzwischen erwachsen seien.» äusserte sich die Schwedische Regierung während der Diskussion um die Gesetzesänderung im Sommer 2018.
Auch in der Schweiz kann man (gemäss Artikel 94 ZGB) nur heiraten, wenn man das 18. Altersjahr erreicht hat und urteilsfähig ist. Ist einer der Ehegatten minderjährig, liegt gemäss Artikel 105 Ziffer 6 ZGB ein unbefristeter Ungültigkeitsgrund vor. Schön und gut, wenn nach diesem Passus im Gesetz ein Punkt und kein Komma käme. Denn im vollen Wortlaut lautet der Gesetzesabschnitt «Ein Ungültigkeitsgrund liegt vor, wenn […] einer der Ehegatten minderjährig ist, es sei denn, die Weiterführung der Ehe entspricht den überwiegenden Interessen dieses Ehegatten.» Diese Ausnahme im Gesetz führt dazu, dass im Ausland geschlossene Minderjährigen-Ehen nur auf Klage hin durch einen Gerichtsentscheid für ungültig erklärt werden kann. Was in der Theorie nicht so tragisch klingt, stellt sich in der Praxis als massiver Stolperstein heraus, welche den Schutz von Minderjährigen vor Kinderehen und Zwangsheirat bis zur Nutzlosigkeit untergräbt.
Realität
Die Realität ist:
– Die Fachstelle Zwangsheirat, das Kompetenzzentrum des Bundes in dieser Frage, stellte in den vergangenen Jahren eine Zunahme von Kinderehen und Zwangsheiraten fest.
– Kinderehen werden automatisch anerkannt, sobald die Eheleute volljährig sind. Massgebend ist nicht das Alter bei Eheschluss, sondern das Datum der Beurteilung.
– Im Ausland geschlossene Kinderehen kommen selten vor Gericht, weil niemand Klage erhebt. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von Unkenntnis bzgl. dem Schweizer Gesetz bis hin zu kulturellen, religiösen oder gesellschaftlichen Zwängen.
– Kommt es zu einer Klage dauert die Behandlung der Fälle durch das zuständige Gericht nicht selten so lange, dass die betroffenen zwischenzeitlich das 18. Lebensjahr erreichen und kein Ungültigkeitsgrund gemäss Art. 105 Ziffer 6 ZGB mehr vorliegt. Die betroffenen Personen bleiben in der Ehe “gefangen”.
Menschenrechte
Gemäss Unicef werden weltweit jedes Jahr geschätzte 15 Millionen Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Manche von ihnen sind noch keine 10 Jahre alt, und ihren Ehegatten kennen sie oftmals nicht vor der Heirat. Sie werden ihrer Kindheit beraubt – anstatt zur Schule zu gehen müssen sie einen Haushalt führen, kochen und ihrem Mann zu Diensten sein. Oftmals geht mit der Ehe auch häusliche oder sexuelle Gewalt einher. Die Träume der betroffenen Kinder werden zerstört. Kinderehen verstossen gegen die Menschenrechte.
Parlamentarische Initiative von Natalie Rickli
Am Donnerstag, 20. Februar 2020 kam die Parlamentarischen Initiative 18.467 von Natalie Rickli (Alt-NR SVP) in die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats (RK-NR). Es ist eine Neuauflage der Motion 16.3916 von Natalie Rickli, welche 2019 abgeschrieben wurde, weil sie länger als zwei Jahre hängig war.
Die Parlamentarischen Initiative 18.467 fordert die Streichung des Satzteils «es sei denn, die Weiterführung der Ehe entspricht den überwiegenden Interessen dieses Ehegatten.» im Art. 105 Ziffer 6 ZGB. Die Anerkennung von Kinderehen wird damit verunmöglicht.
Die JCVP Schweiz engagiert sich aktiv gegen Kinderehen. Vorgängig zur Beratung der Parlamentarischen Initiative nutzten wir unsere Reichweite u.a. auf Social Media um auf das Thema Kinderehen aufmerksam zu machen. usserdem suchten wir den Kontakt zu den Mitgliedern der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats um ihnen unsere Haltung und Bedenken hinsichtlich der aktuellen Gesetzeslage aufzuzeigen.
Die RK-NR hat der Parlamentarischen Initiative 18.467 einstimmig folge gegeben. Als nächstes wird die Parlamentarische Initiative von der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats (RK-SR) behandelt. Die JCVP Schweiz und ich bleiben dran!